Seit ich „Die Meerjungfrau in Hamburg“ vor ein paar Wochen veröffentlicht habe, werde ich von Leserinnen immer wieder gefragt, wie viel Autobiographisches in der Geschichte steckt. Also zunächst einmal: nein, ich wohne nicht in Eitorf-Mühleip und ich bin auch nicht geschieden. Was aber stimmt, ist die Endometriose. Die hat sich dank Wechseljahre zwar zum Glück erledigt, aber die Erinnerung an die Schmerzen und alles andere wird wohl bis an mein Lebensende bleiben.
Was ist überhaupt Endometriose?
Endometriose – das Wort klingt so medizinisch sauber, so distanziert. Aber dahinter verbirgt sich eine Realität, die alles andere als sauber ist.
Vereinfacht gesagt: Bei Endometriose wächst Gewebe, das normalerweise nur in der Gebärmutter zu finden ist, an anderen Stellen im Körper. An den Eierstöcken, am Darm, manchmal sogar an der Lunge. Und dieses Gewebe verhält sich genauso wie in der Gebärmutter – es baut sich mit jedem Zyklus auf und blutet ab. Nur dass das Blut nirgendwo hin kann.
Das klingt schon unangenehm, oder? Ist es auch.

Aber was bedeutet das konkret? Es bedeutet Schmerzen, die dich aus dem Schlaf reißen. Schmerzen, die so heftig sind, dass du dich übergeben musst. Es bedeutet, dass simple Dinge wie Geschlechtsverkehr oder sogar ein Stuhlgang zur Tortur werden können. Dadurch lernst du, dein Leben um deinen Zyklus zu planen – nicht nur um die Periode selbst, sondern um die Tage davor und danach.
Endometriose ist eine chronische Erkrankung. Das heißt, sie verschwindet nicht einfach wieder. Sie ist ein ungebetener Gast, der sich in deinem Körper eingenistet hat und bleibt. Manchmal ist sie leise, manchmal schreit sie so laut, dass du nichts anderes mehr hörst.
Und das Perfide daran? Von außen sieht man nichts. Du siehst gesund aus, also müssen die Schmerzen ja nicht so schlimm sein, denken manche. „Es sind nur Regelschmerzen“, hörst du dann. Als wären „nur“ Regelschmerzen nicht schon schlimm genug – aber Endometriose-Schmerzen spielen in einer ganz anderen Liga.
Es dauert im Durchschnitt sieben bis zwölf Jahre, bis Endometriose diagnostiziert wird. Sieben bis zwölf Jahre, in denen Frauen sich anhören müssen, sie sollten sich nicht so anstellen. In denen sie sich fragen, ob sie verrückt sind, weil ihre Schmerzen anscheinend nicht ernst genommen werden.
Ich war eine von ihnen. Ich durfte mir von einer Frauenärztin anhören, dass Periode „halt wehtut“. Und ich kann mich noch gut an die Nacht erinnern, als ich vor Schmerzen nicht mehr wusste, wo oben und unten war in meinem Körper und ich mich fast übergeben musste.
Für mich war diese Nacht ein Wendepunkt, da ich dann in eine gynäkologische Praxis gewechselt bin, die sich als Endometriose-Zentrum damit auskennt. Dort traf ich auf einen wundervollen Frauenarzt, der mich verstand und mir den Freiraum gab, auch selber weiterzuforschen.
Da ich zu dem Zeitpunkt schon in der Perimenopause war, also in der mehrjährigen hormonellen Übergangsphase vor der endgültigen Menopause, hat er mich ohne OP mit der Pille dann bis hinter die Wechseljahre gerettet. Ich habe zudem noch mit Ernährung experimentiert und vor allem mit Grünem-Tee-Extrakt einiges an Verbesserung erfahren können.

Warum hat mein Hauptcharakter Endometriose?
Ich wollte Alex so realitätsnah wie möglich schreiben. Keine 20-jährige, die natürlich ihre eigenen Sorgen hat, sondern eine Frau, die schon einiges durchgemacht hat. Da ich selbst mehrere chronische Erkrankungen habe, konnte ich so meine Erfahrungen mit einbringen. Schon sehr früh hatte ich dabei eine Szene im Kopf, die erst im 5. Band vorkommt, bei der die Endometriose genau passte.
Deshalb entschied ich mich dafür – und zum Beispiel nicht für Zöliakie, denn ich wollte nicht seitenweise ihre Suche nach einem geeignetem glutenfreien Restaurant auf ihrer Reise schreiben. Oder ME/CFS, denn dann würden wahrscheinlich alle Bände im kleinen Mühleip spielen. Endometriose war genau das, was ich im 5. Band brauchte und habe den Grundstein dafür schon im ersten Band gelegt.
Ich wollte auch die Realität abbilden, die man mit Endometriose hat. Alex sollte wissen, wie es ist, strategisch zu planen, wann man seine Pille nimmt, um solche Nächte zu vermeiden. Sie sollte eine Heldin sein, die ihre Notfalltasche nicht nur mit Verbandszeug packt, sondern auch mit den Medikamenten, die sie braucht, um zu funktionieren.
Denn Fantasy-Leserinnen verdienen Heldinnen, die ihre Kämpfe verstehen – auch die unsichtbaren.
Was bedeutet es, aus eigener Erfahrung zu schreiben?
Als ich Alexandras Szene schrieb, in der sie überlegt, einen zusätzlichen Blister der Pille mitzunehmen, wusste ich genau, wovon ich schrieb. Ich kannte dieses Abwägen: Könnte meine Periode früher kommen? Wie schlimm könnten die Schmerzen werden? Bin ich weit genug von zu Hause weg, dass ich vorsichtshalber vorsorgen sollte?
Das sind die Gedanken, die Menschen mit chronischen Erkrankungen täglich beschäftigen – aber in Fantasy-Romanen kommen sie nur selten vor. Stattdessen begegnen uns Heldinnen, die körperlich unverwundbar scheinen, die nie über Schmerzen nachdenken müssen, die nie vor der Entscheidung stehen: „Schaffe ich das heute, oder rebelliert mein Körper wieder?“
Eine chronische Krankheit ist nicht wie ein dramatischer Fluch, der im Laufe der Geschichte gelöst werden kann – wobei … Nein, mehr verrate ich nicht. Eine chronische Erkrankung ist ein ständiger Begleiter – manchmal leise im Hintergrund, manchmal schreiend laut. Sie verändert, wie man die Welt sieht, wie man plant, wie man jeden Tag aufs Neue Entscheidungen trifft.
Warum diese authentischen Geschichten so wichtig sind
Für die, die verstehen
Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Jugendliche Fantasy-Romane verschlungen habe, immer auf der Suche nach einer Heldin, die ich verstehen konnte. Jemand, der nicht nur gegen Drachen kämpfte, sondern auch gegen die Unberechenbarkeit des eigenen Körpers. Die wusste, wie es ist, wenn Schmerzen so stark sind, dass man sich fast übergeben muss. Die trotzdem aufsteht und ihr Leben lebt.
Diese Protagonistin habe ich nie gefunden – also habe ich sie selbst geschrieben.
Für Menschen wie mich, die mit chronischen Schmerzen leben, ist es mehr als nur Repräsentation, wenn wir uns in einer Figur wiederfinden. Es ist Anerkennung unserer Realität. Es ist die Botschaft: „Deine Kämpfe sind real, und du bist trotzdem eine Heldin deiner eigenen Geschichte.“
Für alle anderen
Aber auch Leserinnen ohne chronische Erkrankungen profitieren von solchen authentischen Geschichten. Sie erweitern das Verständnis dafür, was so eine Erkrankung und die daraus resultierende Stärke wirklich bedeutet. Dass Heldentum nicht nur im großen Kampf gegen das Böse liegt, sondern auch darin, jeden Morgen aufzustehen, obwohl der Körper schmerzt.
Alexandra ist nicht stark, obwohl sie mit Endometriose lebt – sie definiert neu, was Stärke bedeutet.

Der richtige Zeitpunkt für ehrliche Geschichten
Ich schreibe zu einer Zeit, in der Menschen endlich offener über ihre Gesundheit sprechen. Social Media hat gezeigt, dass viele von uns ähnliche Kämpfe führen. Die Scham um chronische Krankheiten bröckelt langsam.
Aber in der Fantasy-Literatur hinken wir noch hinterher. Während wir in anderen Genres längst diverse, authentische Charaktere finden, sind Fantasy-Heldinnen oft noch immer übermenschlich gesund und stark.
Das muss sich ändern. Nicht, weil es politisch korrekt ist, sondern weil es ehrlich ist.
Wie ich meine Erfahrungen mit Endometriose in Fantasy verwandle
Die kleinen, wahren Details
Wenn Alexandra ihre Notfalltasche packt, denkt sie nicht nur an Verbandszeug. Sie checkt, ob sie genug Schmerzmittel dabei hat. Das ist kein dramatischer Moment – es ist Alltag. Aber für Leserinnen, die das kennen, ist es ein Moment des Wiedererkennens.
Diese kleinen Details machen den Unterschied zwischen einer Figur, die nur auf dem Papier existiert, und einer, die lebendig wird.
Balance zwischen Realität und Eskapismus
Ich wollte nicht, dass Alexandras Endometriose ihre ganze Identität wird. Sie ist Apothekerin, sie wird zur Hüterin magischer Wesen, sie verliebt sich, sie kämpft gegen Vampire. Ihre chronische Krankheit ist Teil von ihr, aber sie definiert sie nicht vollständig.
Genau so, wie es im echten Leben ist. Wir sind nicht unsere Krankheiten – aber sie sind ein Teil unserer Geschichte.
Ehrlichkeit ohne Selbstmitleid
Es gab Momente beim Schreiben, wo ich versucht war, Alexandras Schmerzen zu romantisieren oder sie zur tragischen Heldin zu machen. Aber das wäre unehrlich gewesen. Chronische Schmerzen sind nicht romantisch. Sie sind meistens einfach nur scheiße.
Alexandra jammert nicht. Sie macht weiter. Sie findet Lösungen und bleibt pragmatisch – genau wie Menschen mit chronischen Krankheiten gezwungen sind, zu sein.
Was authentische Fantasy-Figuren leisten können
Neue Definition von Heldentum
Eine Heldin, die mitten in der Nacht vor Schmerzen aufwacht und trotzdem am nächsten Tag ihr Leben lebt, zeigt eine Art von Mut, die in Fantasy-Romanen selten gewürdigt wird. Es ist der Mut des Alltags, der stille Heroismus des Weitermachens.
Hoffnung und Identifikation
Für Leserinnen mit ähnlichen Erfahrungen kann es helfen, so eine Figur zu sehen: Hier ist jemand wie ich, und sie rettet trotzdem die Welt. Oder wenigstens ihre kleine Ecke davon.
Erweiterte Perspektiven
Fantasy war schon immer ein Spiegel unserer Welt. Je ehrlicher und vielfältiger unsere Charaktere sind, desto reicher werden unsere Geschichten.
Die Magie in der Authentizität
Als Alexandra zum ersten Mal ihre magischen Kräfte entdeckt, ändert das nichts an ihrer Endometriose. Ihre Superkraft heilt sie nicht. Stattdessen muss sie lernen, mit beidem zu leben – mit ihrer Magie und mit ihrer chronischen Krankheit.
Das finde ich viel interessanter als eine Geschichte, in der magische Kräfte alle Probleme lösen. Im echten Leben gibt es keine Zauberei, die unsere Schmerzen wegmacht. Aber es gibt andere Arten von Magie: Freundschaft, Liebe, die Kraft weiterzumachen, auch wenn es wehtut.
Warum ich diese Geschichte schreiben musste
Jede Nacht, die ich schlaflos verbracht habe, jeder Moment, in dem ich mich gefragt habe, ob ich stark genug bin für das, was das Leben von mir verlangt – all das fließt in diese Geschichte ein.
Ich schreibe Alexandra für das Mädchen, das ich war, das Fantasy-Romane liebte, aber nie eine Heldin fand, die ihre Kämpfe verstand. Ich schrieb sie für alle anderen, die sich manchmal fragen, ob sie genug sind, mit all ihren Einschränkungen und Schwächen.
Die Antwort ist: Ja, das seid ihr. Ihr seid nicht nur genug – ihr seid außergewöhnlich.
Ein persönliches Fazit
Fantasy kann uns zu fernen Welten entführen, aber die beste Fantasy bringt auch etwas zurück in unser Leben: Verständnis, Hoffnung, das Gefühl, gesehen zu werden.
Alexandra ist keine perfekte Heldin. Sie hat schlechte Tage, sie braucht Medikamente, sie braucht Pausen. Aber sie gibt nicht auf. Sie findet Wege. Sie ist menschlich – und gerade deshalb magisch.
Für alle, die ähnliche Kämpfe führen: Eure Geschichten verdienen es, erzählt zu werden. Eure Erfahrungen machen Fantasy nicht schwächer – sie machen sie wahrer.
Kennst du das Gefühl, nach einer Figur in Büchern zu suchen, die deine Erfahrungen widerspiegelt? Oder hast du als Autorin überlegt, wie du deine eigenen Erfahrungen in deine Geschichten einweben könntest? Ich würde gerne von dir hören – teile deine Gedanken in den Kommentaren. Und wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, teile ihn gerne oder empfehle ihn weiter – so werden Geschichten über chronische Krankheiten sichtbarer.